
Wien hat ja dieses Image von Prunk, Opern und Sachertorte. Alles sehr elegant, sehr weltstädtisch. Aber wenn du länger bleibst, merkst du schnell: Diese Stadt kann nicht nur brav. Hinter den barocken Fassaden und den Kaffeehauspolstern pulsiert ein Nachtleben, das dir manchmal das Gefühl gibt, mitten in einem Film gelandet zu sein.
Ich war vor kurzem für ein paar Tage hier, geschäftlich gemischt mit ein bisschen Freizeit. Am Anfang lief alles nach Plan: Tagsüber Termine, abends noch kurz ins Hotel, vielleicht was essen. Aber wie es so ist – ein „nur kurz was trinken“ wird in Wien selten wirklich kurz.
Los ging’s in einer kleinen Bar im 7. Bezirk. So ein Laden, bei dem du reinkommst und sofort merkst, dass die Leute hier nicht auf die Uhr schauen. Leise Musik, Kerzenlicht, der Barkeeper kennt alle beim Namen. Kaum hatte ich mein Glas in der Hand, kam ich mit zwei Wienern ins Gespräch, die aussahen, als hätten sie schon den halben Abend hinter sich – und den Rest fest im Blick.
Wir redeten über alles: Musik, Essen, die besten Clubs, und irgendwann kam das Thema auf, wie man in dieser Stadt am besten Leute kennenlernt. Klar, man kann in einer Bar sein Glück versuchen oder sich durch halb Wien tanzen. Aber einer grinste nur und meinte: „Wenn du weißt, was du willst, kannst du dir auch gleich Leute in Wien suchen, die dasselbe wollen.“ Er sagte das so selbstverständlich, als würde er dir den besten Würstelstand empfehlen.
Das ist vielleicht der Unterschied zu vielen anderen Städten: In Wien wird nicht lange gefackelt. Die Leute sind direkt, ohne dass es unhöflich wirkt. Du kannst natürlich hoffen, dass der Funke zufällig überspringt, oder du nimmst die Abkürzung. Und ehrlich gesagt, in einer Stadt, in der die Nächte manchmal bis ins Morgengrauen gehen, kann das verdammt praktisch sein.
Ich hab an dem Abend gelernt, dass Wien ein bisschen wie eine Bühne ist. Jeder Abend ist eine neue Vorstellung, und du weißt nie, welche Rolle du spielen wirst. Vielleicht bist du nur Zuschauer, vielleicht Hauptdarsteller und manchmal bist du beides gleichzeitig.
Wir sind später noch in einen Club im Gürtel-Bereich gezogen. Drinnen war es laut, die Luft heiß, und irgendwo zwischen Tanzfläche und Bar habe ich gemerkt, dass Wien etwas hat, das süchtig macht. Diese Mischung aus Charme, Lässigkeit und dem Gefühl, dass immer noch etwas passieren kann, egal wie spät es ist.
Das Beste daran: Alles liegt nah beieinander. Du kannst in einer schicken Cocktailbar im 1. Bezirk starten, in einer Kellerbar im 5. landen und trotzdem in weniger als zehn Minuten beim nächsten Spot sein. Und genau das macht die Abende hier so unvorhersehbar, im besten Sinn.
Am nächsten Morgen saß ich mit einem Kaffee in einem dieser klassischen Wiener Cafés, draußen rauschte die Stadt schon wieder in ihrem Tagesrhythmus, und ich dachte nur: Kein Wunder, dass man hier so oft später ins Bett kommt, als geplant. Wien zieht dich rein – erst sanft, dann immer tiefer – bis du plötzlich mitten in einer Geschichte steckst, die du vorher nicht mal geahnt hast.
Vielleicht ist das das Geheimnis dieser Stadt: Sie gibt dir genau das, was du gerade brauchst. Manchmal ist es Kultur und Ruhe, manchmal ein Abend, der so laut ist, dass du am nächsten Tag noch das Gefühl hast, er hängt dir im Kopf nach. Und manchmal ist es beides, in genau der richtigen Mischung.